Studienaussteiger berichten über ihren Wechsel ins Handwerk.

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Beispiele

Ehemalige Studierende berichten über ihren Wechsel ins Handwerk.

Rieke Scheider: Von Modedesign zum Friseurhandwerk

Die Ausbildung bietet viele Möglichkeiten, eigene Ideen einzubringen!

Nach dem Abitur studierte Rieke Scheider Modedesign in Düsseldorf. Sie hatte sich bewusst für ein "kreatives Studium" entschieden. Die sehr theoretische Ausrichtung des Studiums und das isolierte Arbeiten machten ihr sehr zu schaffen. Die Vorstellung, in den nächsten Jahren viel Zeit in ein Studium zu investieren ohne sich "kreativ an konkreten Aufgaben ausprobieren zu können", führte bei ihr zu großer Unzufriedenheit. Sie hatte das Gefühl, durchhalten zu müssen – ein Ausstieg aus dem Studium kam für sie nicht in Frage: "Zum Schluss hatte ich dann sogar die Lust an der Mode verloren".

Sie begann eine Ausbildung im Friseurhandwerk, was in ihrem Umfeld zunächst auf Unverständnis stieß. "Als ich meinen Eltern, Freunden und Bekannten allerdings von meinem Ausbildungsbetrieb und den Entwicklungsmöglichkeiten berichtete, war die anfängliche Skepsis schnell gewichen."

"Meine Chefin hat mich in jeder Beziehung unterstützt. Sie bezieht mich in alle betrieblichen Vorgänge (Shows, Veranstaltungen, Seminare etc.) ein und ich kann meine Ideen immer einbringen. Anders als in meinem Studium kann ich mich in meiner Ausbildung nun kreativ ausprobieren, was ich mir schon immer gewünscht habe. Die Aussicht auf eine Ausbildungsverkürzung war ein zusätzlicher Ansporn für mich. Ich würde jedem in einer vergleichbaren Situation raten: "Geh in dich, werde dir klar darüber, was dir Spaß macht, und trau dich!"

Pascal Lagerin: Vom Informatikstudium zum Metallbauer

Die inneren Qualitäten stehen bei Handwerksbetrieben mehr im Focus!

Zunächst hatte Pascal Lagerin eine Ausbildung zum Groß- und Einzelhandelskaufmann begonnen. Schnell hatte er gemerkt, dass es nicht das Richtige für ihn war, da er sich mehr praktische Elemente gewünscht hatte. Dann entschied er sich für ein Informatik-Studium mit dem Ziel, Videospiele zu programmieren oder später in die Richtung Level-Design zu gehen. Bereits am Ende des ersten Semesters erkannte er, dass es nicht seinen Vorstellungen entsprach. "Es war ein schöner Traum, aber eben ein unerfüllter Traum."

Pascal Lagerin meldete sich bei der Handwerkskammer zu Köln, um dort die Karriereberatung für Studienaussteiger / innen in Anspruch zu nehmen. Die Karriereberaterinnen unterstützen ihn bei der Suche, einen Ausbildungsplatz als Metall- und Stahlbauer zu finden und vermittelten ihm eine Lehrstelle bei der Firma Wiehlpütz Stahl- und Maschinenbau GmbH in Bonn. "Dort werden die fachlichen und die inneren Qualitäten gesehen. Mit Metall zu Arbeiten finde ich super klasse, es macht unheimlich viel Spaß. Es sollte sich niemand abgewertet fühlen, wenn er sein Studium nicht beendet."

Jessica Berger*: Vom Ernährungswissenschaftenstudium zur Maßschneiderin

Das Handwerk bietet Raum für Kreativität und Selbstverwirklichung.

"Während meiner Schulzeit im Gymnasium war ich unentschlossen, was meine Zukunft anging. Natürlich hatte ich mir Überlegungen hierzu gemacht, doch sie brachten mich zu keinem Ergebnis. Ein freiwilliges soziales Jahr sollte mir Orientierung geben", so fasst Jessica Berger* ihre Berufsorientierung zusammen. "Ein paar Mal hatte ich den Gedanken, dass es schön wäre, etwas in Richtung Mode/Nähen zu machen. Aber auch da kam mir eine Ausbildung nicht in den Sinn."

So begann sie Ernährungswissenschaften an der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn zu studieren und wechselte nach drei Semestern in den Studiengang Sozialwissenschaften an der Universität zu Köln. Im Studium fehlten Jessica Berger Lebensnähe und Handfestes. Mit Hilfe der Ausbildungsvermittlung der Handwerkskammer zu Köln orientierte sie sich neu und absolviert eine Ausbildung zur Maßschneiderin.

Marcel Woters: Von Umweltingenieurwesen und Physik zum Elektroniker

Die inneren Qualitäten stehen bei Handwerksbetrieben mehr im Focus!

Marcel Woters hat zunächst fünf Semester Umweltingenieurwesen an der Universität Kassel und später sechs Semester Physik an der Universität zu Köln studiert. Zweifel am Studium hatte er früh, doch positive Erfahrungen hatten ihn immer wieder motiviert, diesen Weg weiter zu gehen. Wie sich ein Studienabbruch auf die Aussichten, eine Ausbildungsstelle zu bekommen, auswirkt, war ungewiss.

"Studienabbrecher haben diesen Makel im Lebenslauf. Ihnen wird nachgesagt, kein Durchhaltevermögen zu haben." Mit Unterstützung der Ausbildungsvermittlung der Handwerkskammer zu Köln hat Marcel Woters eine Ausbildungsstelle zum Elektroniker (Energie-/Gebäudetechnik) gefunden. Das im Studium Gelernte ist ein großer Startvorteil: "Gegenüber anderen Auszubildenden habe ich in der Berufsschule einen gewissen Vorteil, weil ich mich schon mal mit der Theorie beschäftigt habe."

Johannes Jager: Vom Lehrer in Erdkunde und Religion zum Tischler

Späterer Studienabschluss nicht ausgeschlossen.

"Ich wollte Lehrer in Erdkunde und Religion werden", sagt Johannes Jager. Doch der Studienalltag entsprach nicht seinen Erwartungen. "Es war schwer, einen Platz für ein Seminar zu bekommen. In den Hörsälen musste man häufig auf den Gängen sitzen, wenn man nicht früh genug da war." Es machte sich ein persönliches Unwohlsein breit und das wirkte sich auf die Studienleistungen aus.

Nach zwei Jahren wechselte Johannes Jager aus dem Studium in eine Berufsausbildung zum Tischler. Er wusste um sein handwerkliches Geschick und wollte nun etwas machen, "wo ich weiß, dass ich gut bin". Die Ausbildungsdauer konnte aufgrund des erreichten Schulabschlusses in Absprache mit dem Ausbildungsbetrieb von drei auf zwei Jahre verkürzt werden. Zu studieren, hat Jager nicht aufgegeben: "Mein langfristiges Ziel ist ein Bauingenieurstudium an einer Fachhochschule."

Felix Erkens: Vom Studium in eine mögliche Selbstständigkeit

Beim Neuanfang an die handwerklichen Grundlagen denken und durchstarten.

Während seines Studiums bekam Felix Erkens eine Traumstelle angeboten, für die er seinen Hochschulabschluss sausen ließ. Nach rund fünf Jahren in diesem Bereich suchte er eine neue Herausforderung. "Die elektronische Steuerung von Haussystemen; also die Bedienung von Heizung und Sonnenschutz mittels Smartphone, die sprachgesteuerte Lichtsteuerung usw., fasziniert mich besonders." Beim Neustart war ihm wichtig, das Handwerk von Grund auf zu erlernen. Deshalb entschied er sich für eine Berufsausbildung zum Informationselektroniker.

Das Arbeiten im unmittelbaren Kundenauftrag motiviert ihn sehr. "Es ist ein tolles Gefühl, nach getaner Arbeit einem zufriedenen Kunden gegenüberzustehen." Nach der Ausbildung könnte sich Felix Erkens eine Fortbildung zum Handwerksmeister und den Wechsel in die technische Kundenberatung vorstellen. "Dabei ist unternehmerische Selbstständigkeit eine mögliche Option; mal sehen...", sagt Erkens mit Blick in die weitere Zukunft.

Achim Mahlmann*: Vom Studium der Geschichte zum Zimmerer

An dem im Studium Gelernten anknüpfen.

Weil seine Eltern es erwarteten, begann Achim Mahlmann* das Studium der Geschichte. Nach sechs Semestern wurde ihm klar, dass dieser Weg nicht der richtige für ihn ist. "Dann begann eine sehr schwierige Lebensphase, die insgesamt fünf Jahre dauerte." Nicht nur der Erwartungshaltung der Eltern und des gesamten Umfelds nicht zu genügen, sondern auch vor sich selber einzugestehen, das gesetzte Ziel nicht erreicht zu haben, machten es besonders schwer.

"Beim Neuanfang wollte ich an den im Studium erworbenen Qualifikationen anknüpfen und nicht wieder bei null anfangen." Dazu gehörten nicht nur fundierte Fremdsprachenkenntnisse, sondern auch mathematische und zeichnerische Kompetenzen. Da Achim Mahlmann in den Semesterferien oft seinen Unterhalt als Bauhelfer verdient hatte, begann er eine verkürzte Berufsausbildung zum Zimmerer. Nach sechs Gesellenjahren folgte dann der Besuch der Meisterschule. Über seine sehr guten Sprachkenntnisse begann er anschließend eine Karriere bei einem international tätigen Unternehmen. Nach mehreren Auslandseinsätzen im französischsprechenden Teil Afrikas steht Achim Mahlmann heute in einer Meisteranstellung im Spezial-Schalungsbau.

* Name geändert.